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Der Auslegungskanon gibt nur Anhaltspunkte für die Auslegung von
Rechtsnormen. Weder macht seine Nichtbeachtung die Auslegung von vorne
herein unrichtig noch führt seine Berücksichtigung immer schon
allein deswegen zu richtigen Ergebnissen. Er ist jedoch eine hilfreiche
Auslegungsanleitung.
- Danach ist bei der Auslegung zunächst vom Wortlaut des Gesetzes
auszugehen. Wenn eine Vorschrift gegen ihren Wortlaut angewandt wird, dann
ist das besonders zu begründen.
- Zum besseren Verständnis des
Wortlauts dürfen die historischen Quellen herangezogen werden. Solche
Quellen sind insbesondere Begründungen für den Gesetzesentwurf
(Motive) und die Protokolle der Beratungen des Gesetzesentwurfs in den
verschiedenen Gesetzgebungsgremien (Ausschüsse, Kommissionen, Parlamente).
Zwar haben solche Dokumente selbst keine Gesetzeskraft, sind also nicht
verbindlich wie das Gesetz, aber sie können wertvolle Hinweise zur
Erleichterung des Verständnisses von Rechtsnormen geben.
- Zu beachten bei der Anwendung ist auch die Stellung der Vorschrift
in der Kodifikation. Ob eine Vorschrift in einem „allgemeinen Teil“ oder
im Zusammenhang mit einer Sonderregelung steht, ist für ihren Anwendungsbereich
unmittelbar bedeutsam. Sie kann daher ein Argument zum Verständnis
einer Norm sein und ist so Auslegungsinstrument.
- Von überragender Bedeutung ist die teleologische Auslegung. Sie
fragt nach dem Sinn und Zweck der Norm und ermöglicht so eine den
Intentionen des Gesetzes entsprechende Rechtsanwendung. Dabei ist der Interpret
nicht auf die vom historischen Gesetzgeber konkret verfolgten Zwecke beschränkt,
sondern er fragt nach dem wertend zu ermittelnden Zweck des Gesetzes. Dabei
darf er sich auch über das Verständnis des historischen Gesetzgebers
hinwegsetzen, muss in solchen Fällen sein Verständnis von Sinn
und Zweck des Gesetzes aber besonders sorgfältig begründen.
Im übrigen ist jedes Argument, auch wenn es nicht in den Auslegungskanon
einzuordnen ist, zum Verständnis einer Rechtsnorm zugelassen, wenn
es Überzeugungskraft und daher Konsenschancen hat. Die Auslegung einer
Rechtsnorm zielt auf einen Konsens über das Verständnis der Norm
und wirbt um diesen Konsens. Daher ist die Lehre von der Rechtsnormenauslegung auch zu Recht mit der Rhetorik in Beziehung gesetzt worden.
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