<< Prinzip der Realexekution >>


Die Nichterfüllung einer Schuld ist eine Beeinträchtigung des Rechts des Gläubigers. Es ist deshalb nahe liegend, als Rechtsfolge der Nichterfüllung eine Schadensersatzpflicht des Schuldners gegenüber dem Gläubiger wegen Verletzung des Gläubigerrechts vorzusehen, wie das viele ausländische Rechtsordnungen tun. Eine solche Schadensersatzpflicht war indessen bis 2002 vom Gesetz nicht angeordnet, und zwar wegen der Möglichkeit der gewaltsamen Durchsetzung des Anspruchs durch Zwangsvollstreckung, deren Voraussetzung die Erlangung eines Vollstreckungstitels ist, z. B. die rechtskräftige Verurteilung des Schuldners zur Leistung. Wegen dieser Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung seiner Forderung hatte das Gesetz dem Gläubiger allein aus Gründen der Nichterfüllung noch keinen Schadensersatzanspruch zugebilligt. Man spricht insoweit vom Prinzip der Realexekution, was bedeutet, dass der Gläubiger sein Recht real durchsetzen kann, also nicht auf eine Geldersatzleistung verwiesen ist.

Dieser Grundgedanke der Regelung der Nichterfüllung von Schuldverhältnissen, dass, solange der Gläubiger die Leistung des Schuldners im Wege der Zwangsvollstreckung erzwingen kann, der Schuldner nicht zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet ist, betraf immer nur die Hauptleistungspflichten des Schuldners, für die sie auch angemessen erscheint. Sie betrifft und betraf indessen nicht den Fall der Nichterfüllung von Sorgfalts- und Unterlassenspflichten. Wenn ein Schuldner seine Unterlassungspflicht nicht erfüllt, dann ist ihm zugleich damit die Erfüllung unmöglich geworden. Anders als bei Handlungspflichten kann der Gläubiger nicht darauf verwiesen werden, den Schuldner im Wege gerichtlicher Vollstreckung zur Erfüllung seiner Pflicht zu zwingen. Mit der Nichterfüllung einer Unterlassungspflicht (Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungspflicht) ist die Erfüllung dieser Verpflichtung zugleich unmöglich geworden. Durch eine Nachholung der Leistungshandlung ist das Gläubigerinteresse nicht zu befriedigen.

Durch die Schuldrechtsreform 2002 hat der Gesetzgeber Abschied von diesem System des Leistungsstörungsrechts genommen und an die Spitze des neuen Rechts der Leistungsstörungen den § 280 BGB gestellt, der im Gegensatz zu früherem Recht einen Schadensersatzanspruch des Gläubigers gegen den Schuldner wegen Pflichtverletzung, also Nichterfüllung der Schuldnerpflichten, vorsieht.

Indem das Gesetz in § 280 Abs. 1 BGB nunmehr gewissermaßen als Hauptrechtsfolge einer Pflichtverletzung des Schuldners den Schadensersatzanspruch anordnet, ist das Prinzip der Realexekution damit jedoch nicht aufgegeben; fordert das Gesetz doch für einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung statt der Leistung weiterhin gemäß § 281 BGB, dass der Gläubiger dem Schuldner zunächst einmal eine Frist für die Leistung setzt. Entgegen manchen ausländischen Rechtsordnungen, die eine Realexekution eines Anspruchs überhaupt nicht vorsehen, sondern die Nichterfüllung eines Leistungsversprechens des Schuldners "nur" durch einen Schadensersatzanspruch sanktionieren, bleibt das deutsche Leistungsstörungsrecht davon geprägt, dass die Durchsetzung des Leistungsanspruchs durch Zivilprozess und Zwangsvollstreckung möglich ist und dies auch weiterhin die Ausgestaltung der Rechtsfolgen der Nichterfüllung der Schuldnerpflicht prägt. Allerdings kann der Gläubiger jetzt auf sehr viel einfachere Weise als nach früherem Recht (§§ 283 BGB a. F.,326 BGB a. F.) den Erfüllungsanspruch nach § 281 BGB in einen Schadensersatzanspruch umwandeln.


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