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Die bisher behandelten Tatbestände unerlaubter Handlungen in den §§ 823 ff. BGB sind dadurch gekennzeichnet, dass als Voraussetzung für die Schadensersatzpflicht ein Verschulden des Schädigers gegeben sein muss. Schadensersatzhaftung ist nach deutschem Recht regelmäßig Verschuldenshaftung. Ausnahmsweise wird indessen auch ohne Verschulden des Schädigers dem Geschädigten ein Schadensersatzanspruch zugesprochen. Man spricht insoweit von einer Gefährdungshaftung. Gefährdungshaftungstatbestände enthalten z. B. § 833 BGB und § 7 StraßenverkehrsG.
Gemäß § 7 StraßenverkehrsG ist der Halter eines Kraftfahrzeugs verpflichtet, dem Verletzten den Schaden zu ersetzen, der daraus entsteht, dass bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Die Ersatzpflicht ist nur noch ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird, also nicht mehr, wenn der Unfall für den Fahrer unvermeidbar war.
Grundgedanke dieser Gefährdungshaftung ist: Wer gefährliche Gegenstände in den Verkehr bringt, soll dafür haften, wenn das Risiko sich realisiert, auch wenn ihn diesbezüglich kein Verschulden trifft. Es geht also dabei also nicht um die Haftung für "unerlaubte" Handlungen, sondern Anknüpfungspunkt für die Gefährdungshaftung im deutschen Recht ist das "erlaubte" In-den-Verkehr-bringen gefährlicher Gegenstände. So lassen sich auch weitere spezialgesetzliche Regelungen der Gefährdungshaftung erklären, z. B. nach der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 Artikel 25 ff. für Eisenbahnunfälle und §§ 25 ff. Atomgesetz für Störfälle in Atomkraftwerken.
Der Gefährdungshaftung zuzurechnen ist ebenso die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz. Danach hat der Produzent bzw. der Vertreiber eines Produkts (hergestellte bewegliche Sache) für durch das fehlerhafte Produkt herbeigeführte Schäden auch ohne Verschulden einzustehen, allerdings in den vom ProdukthaftungsG bestimmten Grenzen. Neben der Produkthaftung besteht die Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB, die grundsätzlich verschuldensabhängig ist, wobei die Rechtsprechung dem Gläubiger aber beträchtliche Beweiserleichterungen zubilligt.
Ein Gefährdungshaftungstatbestand des Bürgerlichen Gesetzbuches ist die Tierhalterhaftung gemäß § 833 Satz 1 BGB. Gemäß § 833 Satz 2 BGB gilt die Gefährdungshaftung aber nicht unbeschränkt für alle Tiere des Halters. Insbesondere ist sie ausgeschlossen für gewerblich genutzte Haustiere. Auch insoweit hat indes das Gesetz eine gewisse Haftungsverschärfung vorgesehen, indem dem Tierhalter die Beweislast für die Erfüllung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bei der Beaufsichtigung des Tieres auferlegt wird. Soweit Haustiere zwecks Erzielung eines Einkommens gehalten werden, besteht also nicht Gefährdungshaftung, sondern es wird lediglich ein Verschulden des Tierhalters bei der Verletzung durch das Tier vermutet.
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